'Die Eröffnung neuer Bergwerke in Europa darf kein Tabuthema sein.'


Wenn die Europäische Union (EU) ihre Abhängigkeit von kritischen Rohstoffen, die für die Energiewende unverzichtbar sind, verringern will, ist ein neuer Bergbau erforderlich, so Nathalie Bally, Expertin für verantwortungsvolle Anlagen, und Anthony Sandra, Portfoliomanager bei KBC Asset Management. Dies sollte jedoch  verantwortungsvoll wie möglich geschehen.

Wir können es uns nicht leisten, von unserer derzeitigen Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen auf eine Abhängigkeit von knappen Ressourcen überzuwechseln.

Anthony Sandra, portfolio manager KBC Asset Management

 

Eine nicht misszuverstehende Botschaft: „Die Batterie Ihres Elektroautos besteht nicht nur aus guten Vorsätzen.“ Nach Ansicht von Bally bringt dies die Herausforderung, vor der Europa steht, perfekt auf den Punkt: den grünen Wandel zu vollziehen im Bewusstsein, dass dieser mit schwierigen Entscheidungen verbunden ist.

Die Verringerung der Abhängigkeit Europas von fossilen Brennstoffen bedeutet eine Beschleunigung des grünen Wandels. Dafür braucht es eine Menge kritischer Rohstoffe. Etwa Lithium oder Kobalt für die Batterien für Elektroautos oder zur Energiespeicherung. Die EU importiert den Großteil dieser Rohstoffe, oft aus Ländern, in denen Menschenrechte, Umweltvorschriften und CO2-Emissionen für weniger wichtig gehalten werden. „Indem wir die Rohstoffproduktion nach Europa zurückholen, schaffen wir die Chance, besser abzuschneiden.“ Europa kann mit gutem Beispiel vorangehen, indem es auf Bergbau mit begrenzter Umweltbelastung setzt,  indem es strengere Umweltstandards anlegt und die Gemeinschaften besser berücksichtigt.  Der Kreis kann sich schließen, indem man sich auf das Recycling und die Wiederverwendung von Restmüll konzentriert“, argumentiert Bally. 

 

Das ideale Bild

Die Europäische Kommission will die Abhängigkeit von strategischen Rohstoffen verringern. Die Ziele des kürzlich eingeführten  muss die Europäische Union mindestens 10 Prozent ihrer strategischen Rohstoffe in eigenen Minen abbauen, 40 Prozent ihrer Erze veredeln und 25 Prozent aus dem Recycling gewinnen. 

 

Unternehmen sollten bereits bei der Produktentwicklung den Wechsel von einer linear orientierten Wirtschaft zu einer Kreislaufwirtschaft in Betracht ziehen.

Anthony Sandra, portfolio manager KBC Asset Management

 

Sandra plädiert für einen bewussteren Umgang mit Rohstoffen. Die Unternehmen sollten bereits bei der Produktentwicklung den Übergang von einer linear orientierten Wirtschaft zu einer Kreislaufwirtschaft mitdenken, wobei in erster Linie das Produkt länger im Gebrauch bleibt und der Abfall nach dem Gebrauch zu einem neuen Rohstoff wird. „Kürzlich wurde in Europa ein Recht auf Reparatur eingeführt, was eine gute Sache ist. Wenn man ein Smartphone mit einem kaputten Bildschirm reparieren lassen kann, braucht man nicht gleich ein neues Gerät zu kaufen. Und Batterien, deren Kapazität nicht mehr für Elektroautos ausreicht, können ein zweites Leben erhalten, um erneuerbare Energie für Zeiten des Spitzenverbrauchs zu speichern.“

War nicht die Rede davon, den Bergbau vollständig einzustellen und nur noch zu recyceln? Wenn man sich die Zahlen ansieht, erscheint das heute unrealistisch. „Es sind derzeit nicht genügend Metalle im Umlauf, um die exponentiell steigende Nachfrage durch Recycling zu decken. Die Internationale Energieagentur hat errechnet, dass, wenn wir bis 2040 alle Batterien recyceln würden, nur knapp 10% der benötigten Metalle gewonnen würden", so Sandra. „In der Anfangsphase sollte es also eine primäre Versorgung geben, bis ein ausreichendes Angebot zur Verfügung steht, um in der Zukunft ganz zu einer Kreislaufwirtschaft zu wechseln, in der das Recycling die Hauptquelle ist.“ 

 Europa kann auch auf Alternativen setzen. Sandra nennt das Beispiel des australischen Unternehmens Vulcan Energy, das im Rheintal mit Hilfe von Geothermie nachhaltig Lithium aus dem Boden fördert. „Das steckt aber noch in den Kinderschuhen. Es wird noch einige Zeit dauern, bis es in industriellem Maßstab möglich ist.“ Bis 2026 rechnet Vulcan Energy mit einer Produktion von 24 000 Tonnen Lithiumhydroxid, was dem Bedarf von 500 000 Autos entspricht.

 

 

Im eigenen Hinterhof

Der Bergbau bleibt also notwendig, um die kurzfristige Nachfrage zu decken. Auch auf eigenem europäischen Boden. In Schweden wurden in der Nähe des Städtchens Kiruna große Mengen an Seltenen Erden gefunden, die für Elektrofahrzeuge und Windkraftanlagen wichtig sind. Und im französischen Departement Allier wurden Lithiumvorkommen entdeckt. Es ist also möglich. Um jedoch bis 2030 mindestens 10% des Verbrauchs an Seltenen Erden selbst zu produzieren, müssen in der EU Dutzende neuer Minen eröffnet werden.

In den letzten zehn Jahren ist keine einzige Mine hinzugekommen.

Wir alle wollen Smartphones, Laptops, Elektroautos, Batterien und Solarzellen, aber keine Minen im eigenen Hinterhof“, räumt Bally ein.

„Ein vollständig nachhaltiger Bergbau ist unmöglich, aber das bedeutet nicht, dass er nicht verbessert werden kann. Europa kann einen Neuanfang machen, indem es sich die technologischen Fortschritte zunutze macht, die der Bergbausektor und die verarbeitende Industrie in den letzten Jahren gemacht haben.  Außerdem kann vereinbart werden, hinterher die biologische Vielfalt wiederherzustellen. Neue Minen dürfen kein Tabu sein, wenn mehr Unabhängigkeit angestrebt wird.“

 

Europa kann mit gutem Beispiel vorangehen, indem es auf Bergbau mit begrenzter Umweltbelastung setzt, indem es strengere Umweltstandards anlegt und die Gemeinschaften besser berücksichtigt. Der Kreis kann sich schließen, indem man sich auf das Recycling und die Wiederverwendung von Restmüll konzentriert.

Nathalie Bally, Expertin für verantwortungsvolles Anlegen KBC Asset Management

 

„Kommunikation und Dialog sind hier entscheidend“, sagt Sandra. „Das schwedische Bergbauunternehmen LKAB oder der französische Mineralienkonzern Imerys führen bereits erste Gespräche mit den örtlichen Gemeinschaften über die möglichen Auswirkungen. Dabei geht es nicht nur um Arbeitsbeschaffung, sondern auch um die Auswirkungen auf die Umwelt. Es ist wichtig, die Menschen früh genug in alle Aspekte einzubeziehen, bevor sich die Gerüchte verselbständigen, dies im Interesse sowohl der Menschen vor Ort als auch des Unternehmens selbst.“

 

Steinkohle ist und bleibt ein NO GO

Kurzfristig wird all dies jedoch nicht ausreichen, um den Bedarf an kritischen Rohstoffen zu decken, so Bally. Erhebliche Einfuhren bleiben vorerst notwendig. „Wir befinden uns in einer Übergangsphase zu mehr Nachhaltigkeit und mehr Unabhängigkeit. Das braucht Zeit.“

„In der Zwischenzeit will sich die KBC als Vermögensverwalterin nicht ihrer moralischen Verantwortung in Bezug auf strategische Rohstoffe entziehen“, sagt Bally. Wir investieren nicht in Bergbauunternehmen, die Kraftwerkskohle fördern. Diese sind und bleiben für alle unsere aktiv verwalteten Fonds strikt ausgeschlossen. Allerdings können wir andere Bergbauunternehmen, die die strengen Kriterien unseres Screenings erfüllen, mit Investitionen unterstützen.“ 

 

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Dit artikel is louter informatief en mag niet als beleggingsadvies beschouwd worden.