Ist es vorbei mit den Geldanlagen in erneuerbaren Energien?

Die Fortschritte bei den erneuerbaren Energien sind rasant. Doch Geldanlagen in diesem Sektor sind derzeit alles andere als rentabel. Die Aktienkurse sogenannter grüner Energieunternehmen färben sich tiefrot. Wie kommt es, dass die Aktienkurse von Unternehmen, die im Kampf gegen die globale Erwärmung dringend gebraucht werden, in den letzten zwei Jahren geschrumpft sind? „Der Sektor wurde unverhältnismäßig stark von einem perfekten Sturm getroffen“, meint Anthony Sandra, Portfoliomanager bei KBC Asset Management. Positiv zu vermerken ist, dass das Geschäftsmodell für alternative Energien weiterhin intakt ist. Es ist sogar so, dass eine explodierende Energienachfrage und der zunehmende Wunsch nach strategischer Unabhängigkeit den Optimismus verstärken. 

Bei Investitionen in den nachhaltigen Wandel geht es nicht nur um die schöne Geschichte, sondern um die unvermeidliche Geschichte mit vielversprechenden Chancen und Wachstumsaussichten. Sie erfordern jedoch eine Vision, die über die gegenwärtigen Ungewissheiten hinausgeht.

Anthony Sandra, Portfoliomanager bei KBC Asset Management

Das globale Klima verändert sich, was zu mehr Wetterextremen führt. Noch nie hat es so viele Hitzewellen, Waldbrände oder verheerende Überschwemmungen gegeben. Der finanzielle Schaden ist enorm, das menschliche Leid unbezahlbar.

Der Übergang von fossilen Brennstoffen zu mehr erneuerbaren Energiequellen ist und bleibt dringend notwendig und bietet Chancen für Unternehmen im Bereich der alternativen Energien. „Im Jahr 2020 entdeckten die Anleger das Thema alternative Energie. Ein Thema, das jahrelang in der Versenkung verschwunden war, um dann in relativ kurzer Zeit einen großen Zustrom neuer Investorengelder zu generieren“, sagt Anthony Sandra, Portfoliomanager bei KBC Asset Management. „Es lief gut. In den letzten zwei Jahren hat sich dies jedoch deutlich verschlechtert. Der Trend zu Anlegen in alternative Energie scheint vorbei zu sein. Aber ist das gerechtfertigt? Oder bieten die niedrigen Bewertungen, die zum Teil auf die Abwanderung kurzfristiger Anleger zurückzuführen sind, die damals vom Hype angelockt wurden, gerade Chancen für diejenigen, die langfristig denken?

 

Private-Equity-Akteure mit gut gefüllten Taschen durchkämmen derzeit den Markt auf der Suche nach qualitativ hochwertiger und günstig bewerteter Beute.

Anthony Sandra, Portfoliomanager bei KBC Asset Management

„Die Wachstumsaussichten sind nach wie vor vielversprechend“, unterstreicht Sandra. „Dies zeigen auch die zahlreichen Übernahmen von Produzenten erneuerbarer Energien - deren Bewertungen in den letzten fünf Jahren einen historischen Tiefstand erreicht haben - durch Private-Equity-Unternehmen.

 

Der perfekte Sturm

„Der Ausbruch des Krieges in der Ukraine war wie ein Katalysator für den Sektor der alternativen Energien, angetrieben durch die hohen Preise für fossile Brennstoffe und das Bedürfnis nach größerer Energieunabhängigkeit. Aber in den letzten zwei Jahren wurde der Sektor unverhältnismäßig stark von einem perfekten Sturm getroffen“, sagt Sandra.

  • Die in den letzten Jahren stark gestiegene Inflation hat die Entwicklungskosten in die Höhe getrieben. Material, Personal und Transport wurden teurer. Der Zustrom billiger Konkurrenz aus China führte zu Druck auf die Gewinnspannen. Denn nicht alle Unternehmen konnten die Kosten an ihre Endkunden weitergeben. Insbesondere die Hersteller von Solarenergieanlagen mussten Federn lassen.
  • Die zahlreichen und raschen Zinserhöhungen, mit denen die hohe Inflation eingedämmt werden sollte, verteuerten die Kapitalkosten. Versorgungsprojekte haben hohe Vorlaufkosten und sind sehr zinsreagibel. Es handelt sich um langfristige Vermögenswerte, die durch Kredite finanziert werden. Höhere Zinssätze machen diese Kredite teurer. Die Bewertungen und Renditen sinken dann sofort.
    Das Gleiche gilt für die Stromnetzbetreiber. Aufgrund ihres stabilen Cashflows ähneln sie in gewisser Weise Anleihen, so dass auch sie unter den steigenden Zinssätzen zu leiden hatten.
  • Höhere Zinssätze bremsen die privaten Investitionen sofort aus. Kredite für die Installation von beispielsweise Solarmodulen wurden teurer. Energieeffiziente Investitionen in Neubauten und/oder Renovierungen wurden zurückgestellt. 

  • Dann fielen die Öl- und Gaspreise und machten die fossilen Brennstoffe wieder wettbewerbsfähiger. Angesichts der nach wie vor hohen Zinssätze verlängerte sich die Amortisationszeit, was sich negativ auf die Nachfrage auswirkte. Die Überkapazitäten wegen der mehr als ausreichenden Abdeckung der Nachfrage drückten zusätzlich auf die Gewinnspannen. 

 

 

Trump gießt Öl ins Feuer ...

Er macht keinen Hehl daraus: Donald Trump hält den Klimawandel für falschen Alarm. „Der Meeresspiegel steigt. Wen kümmert das schon?“, fragte er bei einer Wahlkampfveranstaltung in Milwaukee. Was bedeutet das für den grünen Wandel, wenn Trump die nächsten vier Jahre wieder im Weißen Haus sitzt?

„Trump zog die USA schon einmal während seiner ersten Amtszeit als Präsident aus dem Pariser Klimaabkommen zurück“, so Sandra. „Sein Nachfolger Biden stieg zwar sofort wieder ein, aber vielleicht wird Trump jetzt wieder aussteigen. Und nicht nur das. Unter dem Motto „Drill, Baby, Drill“ will er wahrscheinlich wieder so stark wie möglich auf die Gewinnung fossiler Brennstoffe setzen: Kohle, Öl und Gas.“

Und dann ist da noch die Frage, was vom Inflation Reduction Act (IRA), einer von Bidens Klimatrophäen des Jahres 2022, übrig bleiben wird. Der IRA sollte grüne Investitionen fördern. Das riesige Paket von Krediten und Steuererleichterungen - im Wert von 370 Milliarden Dollar - umfasste auch die Förderung von Solar- und Windkraftprojekten sowie Kaufanreize für Wärmepumpen und Elektroautos. Laut Trump ist der IRA „die größte Steuererhöhung in der Geschichte der USA“.

 

... auch wenn nichts so heiß gegessen wird, wie es gekocht wird.

Trump bestimmt die Klimazukunft der USA nicht im Alleingang. Das tun auch die einzelnen Bundesstaaten mit ihren eigenen Klimagesetzen. „Der IRA erweist sich als wichtiger Motor für das Wirtschaftswachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen, weshalb das Gesetz sowohl bei den Republikanern als auch bei den Demokraten breite Unterstützung hat“, betonte Sandra. „Nicht zuletzt verringern die Investitionen in grüne Energie in den USA selbst deren Abhängigkeit von China in puncto Anlagen für erneuerbare Energien. Wenn die USA mit dem Rest der Welt konkurrieren wollen, müssen sie bis zu einem gewissen Grad an ihrem eigenen Wandel festhalten.“ 

 

Man sollte auch Elon Musk nicht vergessen, Trumps „First Buddy“ und Chef von Tesla, der sich zweifellos für die Beibehaltung der Steuervergünstigungen für Elektroautos einsetzen wird.

Anthony Sandra, Portfoliomanager bei KBC Asset Management

 

 

Und dann sind da noch die so genannten Gesetze des Marktes. In mehreren US-Bundesstaaten sind Solar- und Windenergie nach wie vor die billigste Energiequelle. „Es ist also durchaus möglich, dass US-Unternehmen weiterhin in erneuerbare Energien investieren. Nicht unbedingt aus Klimabewusstsein, sondern aus dem einfachen Grund, dass es Geld einbringt“, sagt Sandra.

Und nicht zuletzt: Trump wird in dieser Amtszeit die Realität nicht mehr ignorieren können. Die USA erlebten eine tödliche Hurrikansaison, und zweifellos werden während seiner Amtszeit weitere Klimakatastrophen folgen. Einfach so zu tun, als wäre alles in Ordnung, ist nicht mehr möglich.

 

„Der nachhaltige Wandel in der Welt wird weitergehen. Das ist sicher“, stellt Sandra fest. „Das ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass der Sektor der alternativen Energien aufgrund der Unsicherheit über Trumps Politik derzeit zusätzlich unter Druck steht. Die Anleger nehmen eine abwartende Haltung ein. Die Projektentwickler wollen mehr Klarheit.“

 

Zwei einfache Gründe, warum das Anlegen in erneuerbare Energien nicht tot ist

1. Der Energiebedarf explodiert.

Die Stromnachfrage steigt und wird weiter zunehmen. Wieso? Künstliche Intelligenz (KI) Die KI spielt eine immer größere Rolle in unserem Leben. „Je weiter die KI voranschreitet, desto deutlicher wird ihr Energiehunger“, betont Sandra. „Die KI benötigt nämlich riesige Mengen an Rechenleistung und Datenspeicherung, die Energie verbrauchen. In den letzten Jahren haben die Rechenzentren weltweit immer mehr Energie verbraucht. Eine Suche mit ChatGPT - dem fortschrittlichen Chatbot von OpenAI - stößt deutlich mehr CO2 aus als eine normale Suche bei Google.“

 

Künstliche Intelligenz lässt die Nachfrage nach Energie explodieren. Erneuerbare Energien haben ihren Platz in einem gesunden Energiemix.

Anthony Sandra, Portfoliomanager bei KBC Asset Management

 

„Die großen Technologieunternehmen wie Amazon, Meta, Google oder Microsoft haben sich nicht nur verpflichtet, ihre Netto-CO2-Emissionen innerhalb einer bestimmten Zeit auf Null zu reduzieren, sie haben auch große Angst davor, dass ihnen die Energie ausgeht“, fügt Sandra hinzu. „Eine Diversifizierung drängt sich also auf.“ Diese Unternehmen wollen nicht nur in Kernenergie investieren, sondern zunehmend auch in erneuerbare Energie, die aus Sonne, Wind und Wasser gewonnen wird. Auch Wasserstoff und Geothermie gewinnen an Bedeutung. All dies kann mit Batteriespeichern kombiniert werden. 

 

Für die Tech-Giganten wird es immer wichtiger, die Energieversorgung selbst in die Hand zu nehmen und ihren Energiemix zu diversifizieren. Aus einer Risikoperspektive.

Anthony Sandra, Portfoliomanager bei KBC Asset Management

 

Eine weitere kleine, aber wichtige Nuance. Die KI ist nicht nur eine Bedrohung für das Klima, sondern auch ein potenzieller - und potenziell starker - Verbündeter. „Die KI kann unser Verständnis der Klimawissenschaft verbessern“, erläutert Sandra. „Zum Beispiel durch eine genauere Vorhersage extremer Wetterbedingungen. Die KI kann uns auch dabei helfen, die bestehenden Stromnetze zu optimieren. Oder unsere Energieerzeugung effizienter zu gestalten. Die Produktion von Wind- und Sonnenenergie ist weniger vorhersehbar. Die KI kann ein stabiles Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage fördern, indem sie etwaige Angebotseinbrüche durch andere Energiequellen auffängt. Derzeit ist die KI keine besonders nachhaltige Technologie. Und ihre Entwicklung ist teuer. Aber wenn wir Lösungen finden, die ihre Nachteile ausgleichen, dann kann die KI dazu beitragen, die Herausforderung des Klimawandels zu bewältigen.

 

2. Die Notwendigkeit einer strategischen Unabhängigkeit in einem geopolitischen Minenfeld

Die Welt sieht gerade ein zunehmendes Streben nach strategischer Unabhängigkeit. Ein geopolitischer Trend, der sich seit einiger Zeit abzeichnet und durch COVID-19 und die russische Invasion in die Ukraine beschleunigt wurde. Beides zeigte die Anfälligkeit der globalen Lieferketten und gab den Anstoß zu mehr Eigenständigkeit. Fügt man noch einige Konflikte im Nahen Osten hinzu, dann ist klar: Energie ist geopolitisch. 

 

Strategische Unabhängigkeit erfordert Innovation und Diversifizierung. Es geht darum, neue Gleichgewichte zu finden. Nicht länger von einem einzigen Lieferanten in der Produktionskette oder einem einzigen autoritären, unberechenbaren Regime abhängig zu sein.

Anthony Sandra, Portfoliomanager bei KBC Asset Management

 

 

Internationale Konflikte haben den Öl- und Gashandel bereits mehrfach gestört. Erneuerbare Energie wird in der Regel lokal erzeugt und vorzugsweise auch lokal verbraucht. Ideal also für einen gesunden Energiemix.
„Europa fördert mit dem neuen Clean Industrial Deal weiterhin Investitionen in saubere Energie“, so Sandra. „Auf diese Weise will Europa nicht nur seine Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen verringern, die in der Regel von weit außerhalb Europas importiert werden. Europa will auch die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie schützen. Denn eins ist klar: der Ausstieg aus fossilen Brennstoffen ist nicht mehr nur eine „nette Zugabe“, sondern eine reine Notwendigkeit.“

 

Unternehmen, die jetzt in erneuerbare Energien investieren, sichern ihre Zukunft. Für Unternehmen geht es bei der Nachhaltigkeit nicht nur um die Einhaltung von Gesetzen oder die Verbesserung des eigenen Images. Es geht um den Aufbau von Eigenständigkeit in unsicheren Zeiten.

Anthony Sandra, Portfoliomanager bei KBC Asset Management

 

 

Als Anleger an der nachhaltigen Mission festhalten

Geldanlagen in alternative Energien erfordern finanziellen Mut. In einem idealen Szenario wird weltweit ein Energiemix angestrebt, in dem erneuerbare Energien immer wichtiger werden. Und auch wenn sich die Energiewende in den letzten zwei Jahren nicht an der Börse niedergeschlagen hat, bleibt das Potenzial für diejenigen bestehen, die eine langfristige Vision verfolgen. Nach mehreren Jahren starker Performance, auf die zwei schwierige Jahre folgten, sollte der Sektor in der Lage sein, wieder zu Atem zu kommen, sobald die Unsicherheit auf dem Markt verschwunden ist.

 

Der Sektor der alternativen Energie mag an der Börse Gegenwind bekommen haben, aber sein Geschäftsmodell hält den Kurs auch im Sturm.

Anthony Sandra, Portfoliomanager bei KBC Asset Management

 

„Die größten Zinserhöhungen liegen hinter uns“, befindet Sandra. „Mehr noch. Im Jahr 2024 gab es an den Finanzmärkten die ersten Zinssenkungen seit langem. Das verschafft dem Sektor der alternativen Energie wieder etwas Luft. Und auch die Unsicherheiten im Zusammenhang mit Trump 2.0 werden wahrscheinlich weniger im Vordergrund stehen als ursprünglich angenommen. Eigentlich ist es ganz einfach: Die Hauptgründe, die den Markt für alternative Energien zu einem Wachstumsmarkt machen, sind die explodierende Energienachfrage und die Notwendigkeit eines gesunden Energiemixes zur Deckung dieser Nachfrage. Ein Energiemix, in dem auch erneuerbare Energien einen wichtigen Platz einnehmen werden. Das Geschäftsmodell bleibt intakt.“

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Dieser Artikel ist rein informatorisch und darf nicht als Anlageberatung betrachtet werden.