Vorsichtige Lichtblicke für die Zukunft der Aktien aus dem Bereich der alternativen Energien
Aktien aus dem Bereich der alternativen Energien sind im vergangenen Jahr unter Druck geraten. Während die traditionellen Ölgiganten in Rekordhöhe notieren, brechen die Aktien von Unternehmen aus dem Bereich der erneuerbaren Energien ein. Warum? Und, was am wichtigsten ist, sieht die Zukunft dieser Aktien besser aus?
Im vergangenen Jahr war es kein Vergnügen, in Aktien von Unternehmen der alternativen Energiebranche zu investieren. Trotz Hunderten von Milliarden an Investitionen, Subventionen, Steuererleichterungen oder Krediten schrieben sie rote Zahlen. Regierungsprogramme wie der US Inflation Reduction Act, der Green Deal und das europäische Klimaschutzpaket Fit für 55 konnten diesen Trend nicht umkehren. Die Kluft zwischen ehrgeizigen Klimavereinbarungen und unzureichenden Geschäftsergebnissen blieb tief.
Der Markt war besorgt, dass die Entwickler erneuerbarer Energien nicht in der Lage sein würden, die höheren Finanzierungs- und Investitionskosten in ihren neuen Projekten angemessen weiterzugeben. Die Folge sind fallende Aktienkurse. Aber die derzeitige Bewertung bietet Chancen.
Anthony Sandra, Portfoliomanager KBC Asset Management
Zinsanstieg ist Schreckgespenst
„Der weltweit starke Anstieg der Zinssätze ist zweifellos das größte Schreckgespenst“, sagt Anthony Sandra, Portfoliomanager bei KBC Asset Management. „Projekte von Versorgungsunternehmen sind langfristige Anlagen, die durch Schulden und Darlehen finanziert werden. Wenn die Zinssätze schnell steigen, werden diese Darlehen teurer. Die Bewertungen und Renditen sinken dann sofort. Die Anleger werden eher eine abwartende Haltung einnehmen.“
Dasselbe gilt für Stromnetzbetreiber wie Elia in Belgien und Terna in Italien. Durch ihren stabilen Cashflow sind sie ähnlich wie Anleihen und leiden daher unter den steigenden Zinsen.
Auch Privatpersonen spürten den Anstieg der Zinsen. Darlehen für die Installation von Solarmodulen wurden teurer. Die Inflation wirkte sich zudem erheblich auf ihr Einkommen aus, was sie veranlasste, energieeffiziente Investitionen bei Neubau- und/oder Renovierungsprojekten aufzuschieben.
Es waren aber nicht nur die Finanzierungskosten, die in die Höhe kletterten. Auch Materialien, Rohstoffe, Personal und Transport wurden teurer, was die Gewinnspannen drückte. Komplexe Genehmigungsverfahren, akuter Personalmangel und Unklarheiten in Bezug auf Steuervorteile können ebenso auf die Liste der Hindernisse gesetzt werden, die einem echten Durchbruch entgegenstehen.
Dank Verbesserungen in der Lieferkette konnten Installateure ihre gut gefüllten Lagerbestände abbauen, und auch die Gas- und Strompreise gingen, teilweise aufgrund des milden Klimas, nach dem Höchststand im Jahr 2023 stark zurück. Infolgedessen verzeichneten die Lieferanten von Wechselrichtern und Solarmodulen einen starken Auftragsrückgang. „Die Hersteller von Solaranlagen haben an der Börse übrigens am stärksten zu leiden, da die Billigkonkurrenz aus China auf dem Vormarsch ist. Die Pläne von Meyer Burger, ihre Fabrik in Deutschland zu schließen, sind ein Beispiel dafür“, weiß Sandra.
Strategische Unabhängigkeit
Eine der Triebfedern des Pakets Fit für 55 und des Green Deals ist es, die Abhängigkeit Europas vom Ausland zu verringern, auch im Rahmen der Energiewende. Ziel ist es, die Logistikketten zu verkürzen und die Produktion teilweise nach Europa zurückzuholen. „Der Krieg zwischen der Ukraine und Russland hat uns beispielsweise unsere Abhängigkeit von russischem Gas wieder schmerzhaft vor Augen geführt und unterstreicht die Bedeutung strategischer Unabhängigkeit“, so Sandra.
Das Streben nach Energieunabhängigkeit hat zu neuen Entwicklungen bei alternativen Energiequellen geführt.
Anthony Sandra, Portfoliomanager KBC Asset Management
Für die Solarbranche ist Europa mit seinem Streben nach Unabhängigkeit zu spät dran. Fast alle Kapazitäten befinden sich in China. Europa will nun um jeden Preis verhindern, dass der Windenergiesektor dasselbe Schicksal erleidet. Gegenwärtig ist dieser Sektor hier noch bahnbrechend, sowohl onshore als auch offshore. Mit dem im Oktober 2023 gestarteten Windkraft-Aktionsplan will Europa den Sektor weiter unterstützen, indem es Finanzmittel bereitstellt, die Erteilung von Genehmigungen beschleunigt, das Auktionssystem verbessert und ein faires und wettbewerbsorientiertes Umfeld schafft.
Im Wasserstoffsektor werden die Ergebnisse der ersten Auktion der Europäischen Wasserstoffbank mit Argusaugen beobachtet. Dies sollte die Wasserstoffwirtschaft in Europa auf ein wettbewerbsfähiges und industrielles Niveau führen. „Das ist wichtig, weil Wasserstoff eine der Lösungen ist, um einen vorübergehenden Überschuss an erneuerbarer Energie längerfristig zu speichern und CO2-intensive Sektoren wie Transport, Zement, Stahl usw. umweltfreundlicher zu machen“, betont Sandra.
Strategische Unabhängigkeit ist ein weltweiter Trend. Auch in den Vereinigten Staaten (USA) bildet der Inflation Reduction Act den Rahmen für das Streben nach größerer Autarkie. Indem man Anforderungen an die Herkunft von Komponenten aus den USA stellt, bevor man in den Genuss der Steuervergünstigung kommt, kann man Produktionskapazitäten dorthin bringen. Dies wird zusätzliche Arbeitsplätze im Bereich der erneuerbaren Energien schaffen und die Abhängigkeit von Öl, Gas und LNG verringern ... Amerika hat in der Solarenergie noch Möglichkeiten. Die großen US-Zulieferer sind auf jeden Fall von diesem Ansatz überzeugt.
Licht am Ende des Tunnels
Wann die Fed und die EZB eine erste Zinssenkung vornehmen werden, ist noch unklar. Es sieht so aus, als ob dies eher im Sommer oder sogar erst im Herbst der Fall sein wird. Als Reaktion darauf stiegen die Langfristzinsen wieder an und setzten den Sektor der erneuerbaren Energien erneut erheblich unter Druck. Auch die Strompreise bleiben unter Druck, insbesondere in Europa, was die Stimmung ebenfalls drückt.
„Aufgrund der schlechten Performance ist die Bewertung von Aktien aus dem Bereich der alternativen Energien inzwischen auf das Niveau von vor fünf Jahren zurückgefallen. Dies dürfte in Erwartung einer Verbesserung des Zins- und Strompreisniveaus förderlich sein. Einige Unternehmen haben bereits Ergebnisse veröffentlicht, die positiv überraschen konnten, insbesondere im Hinblick auf die Aussichten“, erklärt Sandra. „Diese niedrigere Bewertung ist auch für Übernahmen von Vorteil. Man denke nur an die Übernahme von Encavis, einem der größeren Akteure in diesem Bereich, durch die Investmentgesellschaft Kohlberg Kravis Roberts & Co (KKR). Ein Zeichen dafür, dass die Bewertung heute attraktiv ist.“
Sowohl auf dem US-amerikanischen als auch auf dem europäischen Markt für Privathaushalte scheint die Nachfrage nach Solarmodulen - insbesondere mit Batteriespeichersystem - die Talsohle erreicht zu haben.
In den USA hat die Verlängerung der Steuervergünstigungen im Rahmen des Inflation Reduction Act das Interesse am Bau von Windparks wieder geweckt.
Auch in Europa sind die Erwartungen an Wind- und Sonnenenergie hoch.
Laut dem im Januar veröffentlichten Bericht der Internationalen Energieagentur wird sich der Anteil von Wind- und Sonnenenergie bis 2028 auf 25% der gesamten Stromerzeugungskapazität verdoppeln.
Anthony Sandra, Portfoliomanager KBC Asset Management
Mehrere europäische Regierungen haben die Gebotspreise für die Auktion von Kapazitäten für erneuerbare Energien erhöht. So können die höheren Investitions- und Finanzierungskosten für die Bauherren ausgeglichen werden. Außerdem wird die Erteilung von Genehmigungen beschleunigt und stark in den Ausbau des Stromnetzes investiert, um den „Stau“ beim Anschluss neuer Projekte für erneuerbare Energien aufzulösen. „Denn Europa bleibt seinem Ziel verpflichtet, die Treibhausgasemissionen bis 2030 um 55% zu reduzieren und bis 2050 klimaneutral zu sein. Um dieses Ziel zu erreichen, ist eine Beschleunigung des Ausbaus der erneuerbaren Energien unerlässlich“, so Sandra.
Chancen für Umwelt und Anleger
Auch wenn sich die Investitionen in die Energiewende einerseits mit dem Konjunkturzyklus mitbewegen und andererseits durch geopolitische Belange vorübergehend behindert werden können, sind sich alle einig: Der Trend der Energiewende und das Thema alternative Energien sind unumkehrbar, was auch für Anleger ein breiteres Spektrum an Möglichkeiten bietet.
Die Energiewende ist wieder auf dem Radar. Die Aussichten sind kurz- und langfristig gut. Die aktuelle Bewertung bietet Chancen. Das sind gute Nachrichten für erneuerbare Energien, für intelligente Stromnetze und Energiezähler.
Alles deutet darauf hin, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien in den kommenden Jahren noch schneller vonstatten gehen wird als in der Vergangenheit. Das ist auch ein „Muss“, denn ohne einen drastischen Ausbau des Bereichs der erneuerbaren Energien wird die Welt das Ziel von Netto-Null-Emissionen bis 2050 nicht erreichen.
„Solange das Geschäftsmodell intakt bleibt, wird sich die Branche wieder erholen. Denn erneuerbare Energien sind für die Verringerung der Treibhausgase und die Bekämpfung des Klimawandels von entscheidender Bedeutung“, schließt Sandra.
Die Umstellung von fossilen Brennstoffen auf erneuerbare Energieträger sowie die Entwicklung von Energiespeicher- und -verteilungssystemen bietet sowohl für die Umwelt als auch für Anleger Chancen.
Anthony Sandra, Portfoliomanager KBC Asset Management
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Dieser Artikel ist rein informativ und sollte nicht als Anlageberatung betrachtet werden.