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Roboterchirurgie: In die Joysticks der Medizin investieren

Chirurgie ist etwas für Menschenhand... oder etwa nicht? Wie auch könnte ein Roboter jemals eine Operation an einem Menschen durchführen? Aber was vor 20 Jahren noch wie Science Fiction klang, wird jetzt allmählich Realität. Die Medizintechnik macht große Sprünge nach vorn. Als risikobewusster Anleger können Sie von diesen Innovationen profitieren.

Der Einstieg in die Robotisierung beruht auf mehr als lässigen Entscheidungen. Es handelt sich hier um einen entscheidenden Baustein für die Zukunftsfähigkeit des Gesundheitswesens. Künstliche Intelligenz (KI) wird die Möglichkeiten nur weiter vergrößern.

Liesbeth Van Rompay, Thematic Portfolio Manager bei KBC Asset Management

 

Der erste Operationsroboter, der PUMA 560, wurde 1985 für eine Hirnbiopsie eingesetzt, ein Verfahren, das aufgrund des Handzitterns beim Einsetzen der Nadel fehleranfällig ist. Ein Roboter zittert nicht. Damit hatte sich einer der Hauptvorteile in der Realität bewährt. Seitdem haben Operationsroboter die minimalinvasiven Verfahren revolutioniert. Chirurgische Instrumente können mit außergewöhnlicher Präzision bedient werden, auch in sehr beengten Situationen. Es ist nur ein kleiner Einschnitt erforderlich.


 

Mehr Präzision, schnellere Erholung

„Komplexe Operationen erfordern von Chirurgen höchste Konzentration, oft stundenlang und in unbequemer Haltung“, erklärt Liesbeth Van Rompay, Thematic Portfolio Manager bei KBC Asset Management. „Der Einsatz eines Operationsroboters erhöht nicht nur die Konzentration, sondern auch die Ausdauer des Arztes. Als Chirurg können Sie Ihre eigenen Momente der Ruhe wählen, indem Sie die Joysticks in der Konsole für eine Weile einfach loslassen. Beim klassischen Verfahren mit einer Klemme in der einen und einem chirurgischen Instrument in der anderen Hand können Sie natürlich nicht einfach loslassen. Hochentwickelte Visualisierungstechniken wie hochauflösende 3D-Bildgebung und Augmented Reality erlauben es dem Chirurgen außerdem, komplizierte anatomische Strukturen deutlicher zu sehen.“

 

Operationsroboter verdienen ihren Platz im Operationssaal der Zukunft, wo Mensch und Maschine einander ergänzen, um das beste Ergebnis für den Patienten zu erzielen.

Liesbeth Van Rompay, Thematic Portfolio Manager bei KBC Asset Management

 

„Auch die Erholungszeit für den Patienten ist kürzer“, fügt Van Rompay hinzu. „Es kommt zu weniger Komplikationen, sodass sich dann auch Nachoperationen erübrigen. Roboterchirurgie ist nicht nur weniger belastend für den Patienten, auch der Krankenhausaufenthalt kann verkürzt werden. Das ist entscheidend für die Steuerung des Patientenaufkommens und damit für die Effizienz eines Krankenhauses.“


 

Die Technik entwickelt sich in rasantem Tempo

„Grob gesagt kann man in der robotergestützten Chirurgie zwei große Bereiche unterscheiden“, sagt Van Rompay. „Das Einsatzgebiet der Weichgewebe und das der Hartgewebe. Wobei unsere Knochen die einzigen wirklich harten Dinge in unserem Körper sind. Zu den Weichgeweben gehören Organe wie Lunge, Darm und Nieren. Orthopädische Eingriffe betreffen den Bewegungsapparat, einschließlich der Knochen und Gelenke. Man denke an Knie- oder Hüftprothesen. Die Allgemeinchirurgie, mit weiteren und umfassenderen Spezialisierungen, widmet sich den Weichgeweben. Denken Sie an urologische oder gynäkologische Eingriffe, die Entfernung einer Gallenblase oder das Abtragen von Krebsgewebe.“

 „Der da-Vinci-Roboter von Intuitive Surgical aus den USA ist das am weitesten entwickelte System im Bereich der Weichteilchirurgie“, so Van Rompay. „Das Unternehmen setzt auf dem Gebiet der sogenannten Weichteilroboter weltweit Maßstäbe.“ Im Jahr 2000 brachte Intuitive Surgical das erste da-Vinci-System auf den Markt. Seine Möglichkeiten wurden erweitert, und 2006 folgte der da Vinci S, die zweite Generation des Roboters. Mit der fortschreitenden Verbesserung der Technik erblickten weitere nachfolgende Generationen wie da Vinci Si, X, Xi und SP das Licht der Welt. „Intuitive Surgical bringt auch sehr spezielle Roboter an den Markt“, fügt Van Rompay hinzu. „2019 lancierte das Unternehmen mit Ion ein robotergestütztes Bronchoskopiesystem, das die Biopsie von verdächtigen Lungenknötchen erleichtern soll. Auf diese Weise kann Lungenkrebs früher erkannt werden.“


 

Der Markt für Medizintechnikunternehmen entwickelt sich ständig weiter. Gesundheit und Innovation gehen zunehmend Hand in Hand.

Liesbeth Van Rompay, Thematic Portfolio Manager bei KBC Asset Management


 

„Im März dieses Jahres hat die US Food and Drug Administration die Zulassung für da Vinci 5 erteilt“, so Van Rompay. „Der da Vinci 5 hat nicht nur mehr Rechenleistung als seine Vorgänger, er ist auch der erste seiner Art mit Force-Feedback-Technologie. Eine der größten Herausforderungen beim Einsatz von Robotern war nämlich, dass man als Chirurg nicht wirklich spürte, was man tat, und das musste man visuell kompensieren. Nehmen Sie zum Beispiel das Anlegen von Wundnähten. Da man nicht spüren konnte, wie stark man an den Fäden zog, musste man beobachten, wie das Gewebe darauf reagierte und entsprechend handeln. Dieses Force Feedback, oder die gefühlte Kraftrückkopplung, ist so natürlich vorhanden, wenn wir unseren Körper bewegen, dass wir uns kaum vorstellen können, wie es ohne dies ist.“

Im Segment der orthopädischen Chirurgie spielt das MAKO-System des US-Unternehmens Stryker eine führende Rolle. Etwa 60% der Knie- und rund 30% der Hüftoperationen in den USA werden mit dem MAKO-System durchgeführt. 


 

Mithalten leicht gemacht

Ein Standard-Roboterchirurgiesystem kostet ohne weiteres bis zu zwei Millionen Euro. Für den Einkaufsleiter eines Krankenhauses sollte sich eine solche Investition langfristig auszahlen, während der Chirurg den alten Roboter am liebsten schon nach wenigen Jahren gegen das neueste Modell austauschen würde. Operationsroboter sind auch eine Frage des Prestiges. Sie bieten Krankenhäusern einen Wettbewerbsvorteil im Werben um hochqualifizierte junge Fachkräfte im Gesundheitswesen. Die Technologie entwickelt sich heute rasant. Krankenhäuser brauchen immer mehr finanziellen Spielraum, um mit den neuesten Entwicklungen Schritt zu halten. Mit innovativen Life-Cycle-Management-Konzepten können Krankenhäuser die Hürde der hohen Anschaffungs- und Wartungskosten teilweise überwinden.


 

Neben den notwendigen medizinischen Kenntnissen erfordert die Roboterchirurgie vom behandelnden Arzt die entsprechende digitale Denkweise. Es ist wichtig, Ärzte und Ingenieure zusammenzubringen.

Liesbeth Van Rompay, Thematic Portfolio Manager bei KBC Asset Management

„Die Anfangsinvestition ist nicht die einzige Herausforderung“, fügt Van Rompay hinzu. Die Komplexität sowohl der Technologie als auch des rechtlichen Rahmens ist ebenfalls ein Problem. Es bedarf geeigneter Schulungsprogramme, um den Ärzten die notwendigen Fähigkeiten zu vermitteln, damit sie die potenziellen Vorteile von Operationsrobotern optimal nutzen können.“ 


 

Markttrends, Wachstumsfaktoren und Perspektiven

Das Wachstum in der robotergestützten Chirurgie wird von einer Reihe globaler Trends angetrieben. Nicht nur technische Innovationen, sondern auch die Altersentwicklung begünstigt die Wachstumsaussichten des Sektors.  „Wir alle werden immer älter“, argumentiert Van Rompay. „Und unser Lebensstil ändert sich. Das führt automatisch zu einem Anstieg der Gesundheitsausgaben und damit auch der chirurgischen Eingriffe.“ Außerdem sehen wir weltweit einen zunehmenden Mangel an medizinischem Personal. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation werden bis zum Jahr 2030 bis zu 10 Millionen Fachkräfte im Gesundheitswesen fehlen. „Unser Gesundheitssystem ist überlastet“, betont Van Rompay. „Roboter im Gesundheitswesen, insbesondere Operationsroboter, können Ärzte unterstützen, indem sie einfache und routinemäßige Aufgaben während der Operation übernehmen. Die Ärzte können sich dann auf die kritischen Phasen der Operation konzentrieren und sich den anspruchsvolleren Entscheidungen widmen.“

Die Marktteilnehmer konkurrieren über Faktoren wie Produktqualität, Innovation, Service und Preisstrategien. „Die äußerst positive Resonanz der Chirurgen auf den da Vinci 5 bestärkt uns in der Überzeugung, dass der neueste Operationsroboter den erheblichen technologischen Vorsprung von Intuitive Surgical weiter ausbauen wird. Andere Marktteilnehmer, wie Johnson & Johnson oder Medtronic, werden aller Wahrscheinlichkeit nach mit ihren Robotersystemen in den Nischenmärkten um Preise und Marktanteile konkurrieren. Der Mazor-Roboter von Medtronic zum Beispiel wird hauptsächlich in der Neuro- und Wirbelsäulenchirurgie eingesetzt.“

Vollständig autonom, ohne menschliches Eingreifen?

Werden wir uns - dank der Integration von KI und maschinellem Lernen - bald in Richtung autonome Roboterchirurgie bewegen? „Autonome Chirurgieroboter befinden sich noch in der Experimentierphase“, sagt Van Rompay. „Aber mit STAR zum Beispiel wurden bereits in der präklinischen Phase bemerkenswerte Erfolge erzielt.“ 

 

KI und maschinelles Lernen fördern die Roboterchirurgie. Die autonome Roboterchirurgie ist keine futuristische Fantasie mehr, sondern mögliche Realität.

Liesbeth Van Rompay, Thematic Portfolio Manager bei KBC Asset Management


 

STAR steht für Smart Tissue Autonomous Robot und wurde in den USA an der Johns Hopkins University entwickelt. STAR konnte einen komplizierten und heiklen chirurgischen Eingriff, die Verbindung zweier Darmstücke, an einem Schwein selbständig und ohne menschliche Hilfe durchführen. „Weiches Gewebe ist empfindlich“, erklärt Van Rompay. „Das Nähen erfordert nicht nur Präzision, sondern auch äußerste Vorsicht und damit höchste Konzentration vom Chirurgen. STAR hat ein eigenes Betriebssystem. Ein dreidimensionales Endoskop nimmt kontinuierlich Bilder in Echtzeit auf. Ein mit maschinellem Lernen trainierter Algorithmus wertet diese Bilder aus und korrigiert den Roboter, wo und wann es nötig ist. So wie es der Chirurg selbst tun würde. Es wird sicherlich noch einige Zeit dauern, bis ein System wie STAR effektiv am Menschen funktioniert, aber es könnte die Chirurgie in Zukunft revolutionieren, das steht fest.“

„Ein weiteres innovatives Beispiel ist das litauische Medizintechnik-Startup Sentante“, so Van Rompay. „Dieses Unternehmen arbeitet derzeit am ersten vollständig teleoperativen Robotersystem, mit dem endovaskuläre Eingriffe aus der Ferne durchgeführt werden können. Auf diese Weise wird die Reaktionszeit verkürzt, was bei Herzinfarkten oder Hirnblutungen entscheidend ist. In Riga wurde in diesem Jahr eine erste klinische Studie am Menschen begonnen und eine erste Operation durchgeführt.“

Nach wie vor ein Diskussionsthema... Wer ist verantwortlich, wenn etwas schief geht? Der Mensch oder die Maschine?

 

Die wachsende Nachfrage nach Medizintechnik nutzen

Das Gesundheitswesen gehört aus der Sicht von Anlegern zu den stabilsten Sektoren. Das Segment der medizinischen Geräte und Ausrüstungen, wie der gesamte Pharmasektor, stützt sich auf eine zunehmend alternde Weltbevölkerung und eine damit einhergehende steigende Krankheitslast. Es wird immer einfache Eingriffe geben, bei denen die Robotik keinen großen Nutzwert hat, aber dass die Roboterchirurgie ein Standard für die Zukunft wird, ist ausgemacht. „Operationsroboter verschieben weiterhin die Grenzen dessen, was im Operationssaal möglich ist“, so Van Rompay.

„Medizintechnik-Unternehmen sind volatiler als der durchschnittliche Pharmasektor. Insgesamt verlangsamen zwischenzeitliche Rezessionen das Wachstum des Markts für Operationsroboter aufgrund finanzieller Zwänge und veränderter Prioritäten von Krankenhäusern und Regierungen. Aber Medizintechnikunternehmen weisen im Durchschnitt ein höheres Umsatzwachstum auf als traditionelle Pharmaunternehmen“, betont Van Rompay, „und das kann Chancen für risikobewusste Langfristanleger eröffnen.“ 

 

Medizintechnik weist eine Reihe spezifischer Merkmale auf, von denen Sie als Langfristanleger profitieren können. Der Markt wird nur von wenigen großen Akteuren besetzt. Der Wettbewerb ist begrenzt. Die Marktzutrittsbarrieren sind hoch. Und die innovativen Produktzyklen sind kurz.

Liesbeth Van Rompay, Thematic Portfolio Manager bei KBC Asset Management


 

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Dieser Artikel ist rein informatorisch und darf nicht als Anlageberatung betrachtet werden.