
Trump 2.0: Wie investiert man in einem geopolitischen Minenfeld?
Es ist keine Überraschung, dass Trump in seiner zweiten Amtszeit einen radikalen Wandel in der Außenpolitik der USA einleitet. Er tut dies aber mit unerwarteter Geschwindigkeit und Brutalität. Wie navigieren Sie als Anleger in einer Welt, in der Launenhaftigkeit und Unvorhersehbarkeit die Weltwirtschaft stören können? „Flexibilität wird vonnöten sein“, so Jeroen Van Boeckel, Stratege bei KBC Asset Management.
In Zeiten geopolitischer Turbulenzen ist es wichtig, als Anleger zu antizipieren, zu dosieren und nach Renditechancen zu schauen, die über die Geopolitik hinausgehen: Bleiben Sie dran und stellen Sie sicher, dass Sie schnell schalten können. Es wird ein volatiles Jahr.
Jeroen Van Boeckel, Stratege bei KBC Asset Management
„Flooding the zone“
„Trump ist allgegenwärtig“, so Van Boeckel, „und er versetzt viele Menschen in einen Zustand fast permanenter Empörung“. Jeder Nachrichtenzyklus beginnt und endet mit dem US-Präsidenten. „Nehmen Sie zum Beispiel seinen Vorschlag, den Gazastreifen zu einer Art Club Med unter US-Herrschaft zu machen. Oder die Personen, die er für Schlüsselpositionen in seinem Kabinett auswählt. Auch die sind oft nicht unbescholten. Beispiele gibt es viele. Der traurige Höhepunkt war die dramatische Pressekonferenz mit dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj. Das ist Trumps Lieblingstechnik: so viele Kontroversen auf einmal anzetteln, dass seine Gegner verwirrt sind und niemand mehr weiß, wo er anfangen soll. Ob er es selbst noch weiß?“
Kontroversen lenken die Aufmerksamkeit von dem ab, was wirklich wichtig ist: technologische Souveränität und die dafür erforderlichen Ressourcen.
Jeroen Van Boeckel, Stratege bei KBC Asset Management
Die mit Trump befreundeten Tech-Bosse haben übrigens mit ihren sozialen Medien eine mächtige Waffe, um ihn in dieser Sache zu unterstützen. Fehlinformationen werden in die Welt gesetzt, nur um Verwirrung und Misstrauen zu stiften. „Trump sucht die Grenzen seiner präsidialen Macht. Für ihn ist die Präsidentschaft wie ein Blankoscheck. Daher diese Gebrauchsanweisung für Trump: Nehmen Sie ihn ernst, aber nicht wörtlich. Und verfolgen Sie, was er tut, nicht was er sagt“, argumentiert Van Boeckel. „Manche Androhungen könnten zu seiner Verhandlungsstrategie passen, erst zu eskalieren und dann abzuschwächen. Wichtiger als das, was er sagt, ist es, die Motive herauszufinden, warum er etwas sagt.“
Ein kalter Krieg rund um Chips
Es ist ein gigantisches Klischee: Ohne Chips steht die Welt still. Anno 2025 können wir uns eine Welt ohne Computerchips nicht mehr vorstellen. Dies macht die Halbleiterindustrie zu einem der am schnellsten wachsenden Wirtschaftszweige, angetrieben durch die fortschreitende Digitalisierung fast aller Lebensbereiche. „Der Vormarsch der generativen künstlichen Intelligenz (KI) läutet eine neue Ära ein“, sagt Van Boeckel. „Auch die Entwicklungen im Bereich des Quantencomputings scheinen an Fahrt zu gewinnen, auch wenn es kommerzielle Anwendungen noch nicht so bald geben wird.“
Es ist ein Rennen, bei dem viel auf dem Spiel steht. Wer auch immer aus der fünften industriellen Revolution - derjenigen, in der Menschen mit fortschrittlicher Technologie und KI zusammenarbeiten - als Sieger hervorgeht, könnte in den kommenden Jahrzehnten einen enormen wirtschaftlichen und sogar militärischen Vorteil erlangen.
Jeroen Van Boeckel, Stratege bei KBC Asset Management

Auch wenn der Krieg in der Ukraine und der turbulente Kurs der Regierung Trump ein wenig ablenken, ist eines der wichtigsten Themen auf der geopolitischen Agenda immer noch der Wettbewerb zwischen Amerika und China. Im Handelskrieg zwischen den beiden Supermächten folgen Einfuhrzölle und Ausfuhrbeschränkungen in hohem Tempo aufeinander, auch wenn sie sich nicht immer direkt gegenseitig schaden. Die Vorgehensweise der Regierung Trump, die Freund und Feind ins Visier zu nehmen scheint, wirft Fragen auf. „Trump knüpft damit an den Schwung seines Vorgängers an, auch wenn er Biden diese Anerkennung nicht zugestehen wird. Mit Ausfuhrbeschränkungen für die modernsten Chips hat bereits der vorherige US-Präsident versucht, Chinas technologischen Fortschritt zu bremsen. Jetzt setzt Trump mit seinen Zöllen noch eins drauf“, so Van Boeckel.
Ohne kritische Materialien keine Chips.
Länder, die eine Schlüsselrolle in der Lieferkette von Rohstoffen für militärische und digitale Chips spielen, können diese in der Wirtschaftskriegsführung einsetzen. „China dominiert den Rohstoffmarkt und wird nicht zögern, diese Position zu nutzen, sollte die Situation mit Amerika eskalieren“, so Van Boeckel. „Diversifizierung ist also das Gebot der Stunde. Die USA könnten Rohstoffe aus ihrem eigenen Boden schöpfen, aber Genehmigungen für de Förderung sind eine heikle Angelegenheit. Es ist nicht ungewöhnlich, dass es 15 Jahre dauert, bis man eine Lizenz erhält. Und so blickt Trump auf Grönland und die Ukraine. Nicht mal das benachbarte Kanada bleibt verschont. In Grönland leben nicht viele Menschen, was es nach Trumps Ansicht einfacher machen sollte, ein neues Bergbauprojekt auf den Weg zu bringen. Und in der Ukraine, einem vom Krieg verwüsteten Land, ist man dann nach der gleichen Denkweise vielleicht auch eher bereit, Kompromisse bei den Umweltstandards und den sozialen Regeln einzugehen. Schließlich ist auch Kanada sehr reich an allerlei Rohstoffen und im Verhältnis zur gigantischen Fläche des Landes auch sehr dünn besiedelt. Trump hat bei mehreren Gelegenheiten angedeutet, dass Kanada lieber der 51. Staat der USA werden sollte.“
Die geopolitischen Belange in der Kette hinter den kritischen Rohstoffen sind groß. Dies erklärt Trumps Interesse an Kanada und Grönland. Dieselbe Logik steckt auch hinter dem Milliardendeal um ukrainische Rohstoffe: Chinas Macht zu brechen.
Jeroen Van Boeckel, Stratege bei KBC Asset Management
Kehren wir zur Ukraine zurück. Das Land verfügt über beträchtliche Rohstoffreserven, von großen Titanvorkommen bis hin zu seltenen Erden, die für alle Arten von zivilen und militärischen Hightech-Geräten benötigt werden. Diese Bodenschätze sind sowohl für Europa als auch für Amerika von Interesse, um die Abhängigkeit von China zu verringern. „Diese ukrainischen Vorkommen sind noch nicht erschlossen“, so Van Boeckel. „Vor dem Krieg hatte der Rohstoffsektor des Landes einen Wert von etwa 15 Milliarden Dollar, aber die Schätzungen über den Gesamtwert der Bodenschätze liegen weit höher. Andererseits handelt es sich dabei nur um Schätzungen, genaue Bodenuntersuchungen in der Region sind kaum vorhanden. Möglicherweise kauft Trump mit seinem Rohstoffdeal also die Katze im Sack.“ Im Rahmen des umstrittenen Rohstoffabkommens zwischen der Ukraine und den USA könnte die Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern einen künftigen Wiederaufbau der Ukraine unterstützen. Die Frage bleibt vorerst offen, ob die von der Ukraine geforderten Sicherheitsgarantien für Trump Teil des Deals sein können.„Die attraktivsten Vorkommen seltener Erden befinden sich aller Wahrscheinlichkeit nach in Donezk und Saporischschja, Gebieten, die teilweise von Russland besetzt sind“, fügt Van Boeckel hinzu. „Das wirft die zusätzliche Frage auf: Führt Trump hinter den Kulissen ähnliche Gespräche mit Russland?“

„Trump geht damit ein gewisses Risiko ein. Neben der hitzigen Debatte darüber, wo die Grenzen Russlands verlaufen sollen, taucht auch die chinesische Bedrohung für Taiwan wieder auf“, fügt Van Boeckel hinzu. „China bewahrt im Moment einen kühlen Kopf, aber die Frage ist, ob es dabei bleibt, wenn die geopolitischen Konflikte allseits weiter eskalieren.“
„Ein Zyniker könnte sagen, dass sich die Geschichte wiederholt, das Schlachtfeld aber den Ort wechselt. Sowohl Afrika als auch Lateinamerika, Südostasien und der Nahe Osten waren im Laufe der Zeit alle bereits implizit oder explizit der Machtpolitik der Großmächte ausgesetzt. Der (Neo-)Kolonialismus scheint noch nicht tot und begraben zu sein. Jetzt wird der Konflikt vor der Haustür Europas ausgetragen, aber wie soll es längerfristig weitergehen? Ein Abkommen über Rohstoffe ist nur ein erster Schritt. Die gesamte Produktionskette (Erschließung, Förderung, Verarbeitung usw.) zum Laufen zu bringen, ist keine Selbstverständlichkeit. Außerdem erfordert die Anwendung in Chips eine extreme Reinheit von 99,99%. Derzeit ist nur China in der Lage, dies in großem Umfang zu leisten. Solange die richtige Infrastruktur für die Raffination und Reinigung fehlt, bleibt China daher das Nadelöhr in den globalen Lieferketten. Die Rohstoffe an sich sind nur ein Teil des Puzzles.“
Die Handelsbeziehungen von morgen werden anders sein als die von heute
Die Europäische Union (EU) kann nicht länger an den alten Gewissheiten festhalten. Das ist schon mal klar. Jahrelang haben wir uns auf billige Energie aus Russland, billige Produkte aus China und billige Sicherheit aus Amerika verlassen. „Die alte Weltordnung existiert nicht mehr“, sagt Van Boeckel. „Wir haben dies bereits letztes Jahr angedeutet, als wir die Bedeutung der strategischen Unabhängigkeit erläuterten. Eine neue Übung in (geo-)politischer Navigation wird eine der großen Herausforderungen der kommenden Monate, vielleicht sogar Jahre, sein. Strategische Unabhängigkeit bedeutet nicht unbedingt, dass alle Machtblöcke völlig autark werden müssen. Es geht darum, neue Gleichgewichte zu finden.“ Die großen Volkswirtschaften verlagern ihren Außenhandel teilweise auf Länder mit einer ähnlichen geopolitischen Ausrichtung wie die eigene.
Die EU sollte nicht zulassen, dass ihr moralischer Kompass die Richtung ändert, aber sie wird lernen müssen, pragmatisch in einem Spiel zu spielen, dessen Regeln sie nicht bestimmt.
Jeroen Van Boeckel, Stratege bei KBC Asset Management
„Wenn die EU wieder vollwertig auf dem geopolitischen Schachbrett mitspielen will, muss sie diesen Moment nutzen, um strategisch unabhängiger zu werden. Das Momentum ist da“, so Van Boeckel. „Die Zeit der politischen Starre, des Steckenbleibens in Bürokratie und Verfahren ist vorbei, es wird aber ein Balanceakt. Die Geopolitik scheint heute eher transaktional zu sein und wird von persönlichen Beziehungen und Emotionen beherrscht. Weniger basiert auf liberalen Werten. „Zum Beispiel spricht vieles für weniger Regulierung, die oft viel Geld, Zeit und Energie kostet, aber auch einen Wettbewerbsnachteil gegenüber anderen Ländern außerhalb der EU bedeutet. Aber wir sollten nicht vergessen: Manchmal dient diese Regulierung auch einem Zweck. Um nur ein Beispiel zu nennen: Die europäischen Gesetze bremsen die Verbreitung von Desinformationen in den sozialen Medien, was in Amerika viel weniger der Fall ist. Am anderen Ende des Spektrums stehen China und Russland, wo die sozialen Medien de facto zum Verstärker der Regierungspropaganda geworden sind.“
„Die Menschen gehen immer vom Schlimmsten aus, aber die Geschichte lehrt uns, dass schwierige Zeiten immer innovative Lösungen hervorbringen“, sagt Van Boeckel. „Um die Herausforderungen der neuen, multipolaren Welt zu meistern, werden sich Länder und Branchen teilweise neu erfinden. Und diese Innovation bringt wiederum Investitionsmöglichkeiten mit sich. Das Streben nach Energieunabhängigkeit hat beispielsweise zu neuen Entwicklungen bei den erneuerbaren Energiequellen geführt. Das Anstreben von mehr Unabhängigkeit in der Datenspeicherung hat zu neuen Entwicklungen im Bereich des Cloud Computing oder der KI geführt. Und vielleicht wird Chinas Deepseek, das in KI-Kreisen eine Schockwelle ausgelöst hat, auch irgendwie zur weiteren Demokratisierung der KI beitragen. Innovation treibt den wirtschaftlichen Fortschritt voran. Wenn Deepseek etwas bewiesen hat, dann die Tatsache, dass die Trümpfe noch im Spiel sind. Kürzlich wurden Gerüchte laut, dass China den USA im Bereich des Quantencomputings sogar voraus ist. Die kommenden Jahre werden in dieser Hinsicht sehr interessant.“
Fokussieren Sie als Anleger auf strategisch wichtige Sektoren

Das Thema strategische Unabhängigkeit ist heute aktueller denn je. Vorerst ist das Jahr 2025 von einer erhöhten Volatilität an den Märkten geprägt. „Als Investor muss man sich darauf einstellen. Flexibilität wird vonnöten sein“, so Van Boeckel. Heute blinken so viele geopolitische Warnlampen, dass den Anlegern der Kopf zu schwirren droht. Die Anleger wissen nicht immer, wie sie mit der Geopolitik umgehen sollen, und unterschätzen daher die Signale oder ignorieren sie lieber. „Seien wir ehrlich: Der richtige Umgang mit der Geopolitik ist für Anleger nicht einfach. Aber sie zu ignorieren, scheint mir keine gute Idee zu sein.“
In einer Welt, in der geopolitische Krisenherde schnell aufflammen können, zeigt sich der Mehrwert einer aktiven Verwaltung. Schaffen Sie eine solide Basis. Seien Sie flexibel genug, um schnell zu schalten, wenn die Situation es erfordert. Und sorgen Sie für Spannkraft, indem Sie sich Trends zuwenden, die die Geopolitik übersteigen.
Jeroen Van Boeckel, Stratege bei KBC Asset Management
Es geht darum, Entwicklungen zu antizipieren, die durch wichtige makroökonomische oder strukturelle Trends ausgelöst werden. Von der globalen Erwärmung über die Regulierung der KI bis hin zu Cyberangriffen - strukturelle Trends haben mittel- bis langfristig erhebliche Auswirkungen.
- KI und Halbleiter
Der Wettlauf um die technologische Vorherrschaft - bei dem die KI eine zentrale Rolle spielt - beschleunigt sich. Die USA wollen dem Rest der Welt meilenweit voraus bleiben und pumpen u. a. mit dem Stargate-Projekt 500 Milliarden Dollar in die KI-Infrastruktur. „Diejenigen, die dem Trump-Clan nahestehen, sind im Vorteil. Die Konkurrenz ist aber noch nicht tot. Nicht zwischen den Großen unter sich, die Big Tech befinden sich ja im Kampf untereinander. Und nicht außerhalb, wo das chinesische Deepseek schon mal die großen Tech-Bros für einen Moment erzittern ließ. „Obwohl die Magnificent Seven die KI-Revolution anführen, liegt das größte Potenzial vielleicht im Pulk“, meint Van Boeckel.
- Cybersicherheit
In einer Welt, in der Cyberkrieg und das Durchtrennen von Kabeln auf dem Meeresgrund ebenso bedrohlich sind wie physische Konflikte, ist der Schutz von Daten, Technologie und Infrastruktur der Eckpfeiler unseres Handelns. „Neben der Cybersicherheit stellt sich auch die Frage nach der digitalen Souveränität“, fügt Van Boeckel hinzu. „Wollen wir immer noch, dass unsere Daten auf einem 10 000 km entfernten Server gespeichert werden? Wen wollen wir an den Schalthebeln unserer Satelliteninfrastruktur haben?“
- Energieunabhängigkeit
Internationale Konflikte haben den Öl- und Gashandel bereits mehrfach gestört. Erneuerbare Energie wird in der Regel lokal erzeugt und vorzugsweise auch lokal verbraucht. Der Ausstieg aus fossilen Brennstoffen ist so gesehen nicht mehr nur eine „nette Zugabe“, sondern eine reine Notwendigkeit.“ „Unternehmen, die jetzt in erneuerbare Energien investieren, sichern ihre Zukunft. Es geht um den Aufbau von Eigenständigkeit in unsicheren Zeiten. Die künstliche Intelligenz lässt übrigens die Nachfrage nach Energie explodieren. Die großen Technologieunternehmen haben Angst, dass ihnen die Energie ausgeht“, fügt Van Boeckel hinzu. „Eine Diversifizierung drängt sich also auf.“
- Industrieller Frühling in Europa?
Als Reaktion auf die unbeständige Wirtschafts- und Außenpolitik der Trump-Regierung scheint die EU aus ihrem Schönheitsschlaf erwacht zu sein. Die Mitgliedstaaten scheinen sich einig zu sein, dass von allen eine große Anstrengung bei den Ausgaben für Industrie und Infrastruktur verlangt wird. Folglich wird es zahlreiche Initiativen in (Teil-)Sektoren geben, die von diesen Investitionen erheblich profitieren können.
„In Zeiten geopolitischer Turbulenzen ist es wichtig, als Anleger vorausschauend zu handeln, zu dosieren und nach Chancen zu suchen“, so Van Boeckel abschließend. „Bleiben Sie dran und stellen Sie sicher, dass Sie schnell schalten können. Es wird ein volatiles Jahr.“
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Dieser Artikel ist rein informatorisch und darf nicht als Anlageberatung betrachtet werden.