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Value Investing 2.0: Eine breitere Sichtweise auf den Wert ist entscheidend

Dynamik, Qualität und Wachstum: Diese Faktoren sorgten in den letzten Jahren für Rendite. Das Anlegen in Value-Aktien oder Value Investing ist dadurch etwas in den Hintergrund getreten. Der Wert bleibt aber ein wesentlicher Faktor für Anleger, die auf solide Fundamentaldaten und langfristige Performance achten. Doch während sich die Märkte weiterentwickeln, muss auch das klassische Value Investing aktualisiert werden. 

Bei Value geht es heute um eine Art „Alles-außer-Magnificent-7“. Aber das braucht nicht immer so zu sein. Mehrere Magnificent-7-Aktien und andere Tech-Wachstumswerte wie Meta und Microsoft waren in der Vergangenheit, ebenso wie Apple, ein klarer Value Play. So sind beispielsweise auch Value Investings in einen unterbewerteten Halbleiterhersteller möglich.

Jeroen Van Boeckel, Anlagestratege bei KBC Asset Management

 

Beim Value Investing geht es darum, Aktien auszuwählen, die unter ihrem inneren Wert notieren. Diese Methode wurde kritisiert, weil sie mit den derzeitigen wirtschaftlichen Gegebenheiten nicht vereinbar sein soll. „Die Bedeutung der physischen Infrastruktur wie Fabriken und Maschinen nimmt ab, während die Bedeutung der immateriellen Vermögenswerte wächst“, sagt Gert Elaut, Portfoliomanager bei KBC Asset Management. „Das Problem ist, dass Investitionen in Forschung und Entwicklung (F&E), Humankapital, Daten, Markenwert usw. aus buchungstechnischer Sicht nicht als Investitionen im Sinne des klassischen Value Investing angesehen werden. Aber auch das sind Dinge, die einen zukünftigen Wert schaffen können. Wer diese immateriellen Werte in die Wertanalyse einbezieht, stellt fest, dass einige Unternehmen, die auf den ersten Blick teurer erscheinen, plötzlich viel attraktiver werden.“


 

Tech gegen den Rest?

Klassisches Value Investing neigt oft bestimmten traditionellen Sektoren wie Konsumgüter oder Telekommunikationsunternehmen zu. Die Technologieunternehmen bleiben weitgehend außen vor. „Innovative Sektoren lassen sich nur schwer in das herkömmliche Bild des Value Investing einfügen“, so Jeroen Van Boeckel, Anlagestratege bei KBC Asset Management. „Value Investing mag ein Mittel zur Diversifizierung eines Anlageportfolios und zum Schutz vor übermäßiger Konzentration geworden sein, aber eine klassische Definition von Value kann auch dazu führen, dass Anlegern potenziell interessante Gelegenheiten außerhalb dieser traditionellen Value-Sektoren entgehen. Technologieunternehmen verfügen oft nur über wenige materielle Vermögenswerte, während die Wachstumserwartungen hoch sind. Vor allem das zweite Element lässt sich nur schwer mit Value Investing vereinbaren. In dieser Hinsicht geht es bei ‚Value‘ heute um eine Art ‚Alles-außer-Magnificent-7‘. Aber das braucht nicht immer so zu sein. 

Nehmen Sie zum Beispiel Apple, eine Tech-Aktie, die für Wachstum und Dynamik steht.  Warren Buffett - einer der bekanntesten Value-Investoren - kaufte die Aktie im Jahr 2016. Ein untypischer Schritt für einen Value-Investor, könnte man meinen, wäre da nicht die Tatsache, dass er Apple zu einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von knapp unter 10 gekauft hat. Heute liegt das Verhältnis bei über 30 ... Vielleicht ist das auch einer der Gründe, warum er in letzter Zeit seine Positionen reduziert hat“, so Van Boeckel weiter. „Was folgt daraus? Es ist ein Irrglaube, dass Value-Investing-Unternehmen kein Wachstum aufweisen sollten oder dass sie sich in einer finanziellen Schieflage befinden müssten. Mehrere Magnificent-7-Aktien und andere Tech-Wachstumswerte wie Meta und Microsoft waren in der Vergangenheit, ebenso wie Apple, ein klarer Value Play. So sind beispielsweise auch Value Investings in einen unterbewerteten Halbleiterhersteller möglich.“

 

Der Wert einer Aktie besteht nicht nur in materiellen Vermögenswerten, sondern auch in immateriellen Faktoren wie Forschung und Entwicklung, Humankapital und Markenwert.

Kris Wyns, Portfolioverwalter bei KBC Asset Management


 

Value Investing 2.0: Mit offenen Augen in die Zukunft schauen

In einer Welt, in der sich die wirtschaftliche Dynamik rasch verändert, erfordert Value Investing eine breitere Analyse. Während früher der Buchwert und klassische Kennzahlen wie Kurs-Gewinn-Verhältnis und Dividendenrendite im Vordergrund standen, müssen Anleger heute ihren Blick erweitern. „Value Investing 2.0 bedeutet, nicht nur die materiellen Vermögenswerte eines Unternehmens zu betrachten, sondern auch die immateriellen Elemente, die Wert schaffen“, so Elaut.

„Der Ausgangspunkt bleibt wie beim klassischen Value: Wir suchen nach günstig bewerteten Unternehmen, unabhängig von Sektoren oder Regionen. Darüber hinaus verfeinern wir die Kriterien. Drei Perspektiven sind hier wichtig: Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung sowie freier Cashflow.“ 

  • Bei der Bilanz korrigiert Elaut den Buchwert aufgrund selbst geschaffener immaterieller Vermögenswerte. Dabei handelt es sich hauptsächlich um F&E und Humankapital. Außerdem wird eine Korrektur für extern erworbene immaterielle Vermögenswerte vorgenommen. Denken Sie an das, was wir als „Goodwill“ oder „Firmenwert“ bezeichnen, die Prämie, die bei Übernahmen gezahlt wird.
    Das Ziel? Eine genauere Definition des Buchwerts.
  • Während man bei der Gewinn- und Verlustrechnung traditionell vom Kurs-Gewinn-Verhältnis ausgeht, betrachtet Elaut bevorzugt die EBITDA (Earnings Before Interest, Tax, Depreciation and Amortisation) gegenüber dem EV (Enterprise Value).  Das Ziel? Ein realistischeres Bild der Rentabilität eines Unternehmens.
  • Auch der freie Cashflow zählt. Schließlich ist der Wert einer Aktie der Gegenwartswert der künftigen Cashflows.
    Das Ziel? In dem Maße, in dem diese Cashflows an die Aktionäre ausgeschüttet werden, bilden sie einen wesentlichen Teil der Gesamtrendite. 

     
Emotionen können flatterhaft sein, aber Werte sind messbar und Geduld ist unbezahlbar.

Jeroen Van Boeckel, Anlagestratege bei KBC Asset Management


 

Ist langweilig das neue sexy?

Value Investing erfordert eine aktive Verwaltung. „Eine Aktie, die billig aussieht, ist nicht unbedingt ein günstiger Kauf. Oft gibt es einen guten Grund, warum eine Aktie billig ist“, argumentiert Van Boeckel. „Deshalb ist es wichtig, über die Zahlen hinauszublicken. Sie müssen auch den Hintergrund eines Unternehmens verstehen. Die Qualität des Managements, die Nachhaltigkeit des Geschäftsmodells ... all diese Elemente spielen bei der Analyse eine Rolle.“

„Das heißt aber nicht, dass man nach der Analyse eine ‚Buy-and-Forget-Strategie‘ fahren kann“, fügt Elaut hinzu. „Eine aktive Überwachung ist weiterhin erforderlich. Immer. Der innere Wert ist keine stabile Größe, sondern entwickelt sich mit der Zeit.“

„Neben einer gründlichen Analyse und einer kontinuierlichen Überwachung ist Geduld eine unverzichtbare Eigenschaft eines jeden Value-Investors. Es kann manchmal lange dauern, bis der Markt den inneren Wert einer unterbewerteten Aktie erkennt und anerkennt. Echte Top-Gelegenheiten sind rar. Wenn also eine gute Idee auftaucht, muss man ihr den Raum geben, sich voll zu entfalten“, so Van Boeckel abschließend. „Emotionen können flatterhaft sein, aber Werte sind messbar und Geduld ist unbezahlbar.“ In der Welt des Value Investings gilt: langweilig ist gut. Qualität zu einem niedrigen Preis zu kaufen, ist oft eine Strategie, die sich auszahlt.“

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Dieser Artikel ist rein informatorisch und darf nicht als Anlageberatung betrachtet werden.